Eiger, Mönch und Jungfrau

Das Rätsel um die Namen der Eisriesen

Das schneebedeckte Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau im Sommer.
Geschichte

«O sieh, sieh», rief Heidi in grosser Aufregung, «auf einmal werden sie rosenrot! Sieh den mit dem Schnee und den mit den hohen, spitzigen Felsen! Wie heissen sie, Peter?» «Berge heissen nicht», erwiderte dieser (aus Johanna Spyri, Heidis Lehr- und Wanderjahre). Über die Antwort des Ziegenhirten sind wir doch ein bisschen erstaunt. Die Berge bekommen doch Namen. Zu Peters Zeiten aber haben die weissen Gipfel keinen wirtschaftlichen Wert und Nutzen. Deswegen wurden sie auch nicht getauft.

Grosse Flüsse, Siedlungen und Täler wurden zuerst getauft – dann war es endlich an der Zeit: Unsere hochalpinen Gipfel erhielten ihre Namen.

Die Gipfel galten in früheren Jahrhunderten als kaum zugängliches Gelände ohne wirtschaftliche Bedeutung. Klar, auf dem Eiger konnten die Bauern ja auch keine Kühe weiden lassen. So hatte die Bevölkerung absolut kein Bedürfnis, diese zu benennen – ausser natürlich, wenn die Gipfel der räumlichen Orientierung als Referenzpunkte dienten.

Das Wort «Berg» stand für alpwirtschaftlich genutzte Gelände und Passübergänge – aber kaum für Gipfel.

Viele der heutigen Bergnamen sind schon seit mehreren Jahrhunderten belegt. Sie bezeichneten aber nicht immer denselben Gipfel, wie das Beispiel des Mönchs zeigt. Der Name musste erst amtlich festgelegt werden, bis dahin konnte ein Gipfel mehrere Namenswechsel durchlaufen.

Der aufblühende Alpentourismus brachte die Konstanz: die durchgehende Benennung der Gipfel. Ab der Renaissancezeit wurden die Alpen als Reiseziel entdeckt. Die Erstbesteigungen der Hochalpengipfel datierten hingegen nicht vor dem 19. Jahrhundert.


Nachtaufnahme vom Bachalpsee in der Nähe von Grindelwald First



Neun

Viertausender ragen in den Berner Alpen in die Höhe. Vom Dreigestirn gehören aber nur zwei dazu.

Jetzt reden wir aber über das Dreigestirn.

Der Vollständigkeit halber listen wir hier noch die neun Viertausender in den Berner Alpen auf: Finsteraarhorn, Aletschhorn, Jungfrau, Mönch, Schreckhorn, Grosses Fiescherhorn, Grosses Grünhorn, Lauteraarhorn und Hinteres Fiescherhorn.

Zunächst einmal die Enstehung - da vertrauen wir doch der Legende.

Die Wengernalp bewohnte einst eine Familie von grausamen Riesen. Sie waren weitum bekannt für ihr bösartiges Gemüt. Eines Tages kam ein altes, armes Mannli mit abgewetzten Kleidern daher und verlangte von den Riesen einen Schluck Milch. Die Riesen jedoch verweigerten ihm diesen Wunsch und fuhren es an, es hätte nichts anderes als Wasser verdient.
Ohaa, wenn das mal gut ausgeht. Wir sehen das Unheil schon kommen.

Die Wengernalpbahn posiert vor dem Wetterhorn. Glücklicherweise sind hier heutzutage keine grausamen Riesen mehr anzutreffen.

Was wurde wohl aus den bösen Riesen?

Wir haben natürlich Recht. Das Unheil kam: Das alte Mannli beleidigte die Riesen und diese wollten ihm an den Kragen. Klar, ein Riese hat sicher keine Angst vor so einem Wicht. Niemand wusste aber, dass das Mannli ein Berggeist und somit viel stärker als alle anderen war. Tja, Pech gehabt. Damit konnten die Riesen ja nun wirklich nicht rechnen. Der Berggeist verfluchte sie ob dieser bösen Tat. Daraufhin begannen sie urplötzlich zu wachsen. Sie wurden grösser und grösser und zu festem Felsen und Eis. So kam es, dass der Vater zum Eiger, die Söhne zum Weissen und Schwarzen Mönch und die Tochter zur Jungfrau wurde. Macht Sinn. So wird's wohl gewesen sein.

Vater, Söhne und Tochter im festen Felsen vereint. Da haben sie nun mal den falschen Mann beleidigt.

Das berühmte Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau bei Sonnenuntergang.

 

Da stehen sie nun - die zu Fels gewordenen Riesen.

Eiger, Mönch und Jungfrau - die Reihenfolge stimmt einfach. Diese hat sich so in kollektive Gedächtnis eingeprägt. Niemals würden wir die Reihenfolge umdrehen. Das passt so.

Der menschenfressende Riese macht seinem Namen alle Ehre.

Der Eiger wird als einer der ersten Schweizer Hochgipfel in den Urkunden erwähnt. Bereits im Jahr 1252 kann im Erstbeleg mit den Worten «ad montem qui nominatur Egere» eine Alp gemeint sein, deren Name später auf den Gipfel übertragen worden ist. Wir wissen es nicht genau. Es dauert aber ein halbes Jahrhundert bis der Eiger erstmals in deutscher Sprache erwähnt wird - mit dem Wortlaut «under Eigere».

Ein Oger, ein menschenfressender Riese, soll er sein – zumindest nach der volkstümlichen Deutung des Namens Eiger. Da kommt uns natürlich direkt der sympathische Shrek mit seinem Esel in den Sinn. Im Gegensatz zu Shrek hat aber der Eiger einen gefürchteten Ruf. Dafür sorgt die Eigernordwand auf eindrückliche Art und Weise.

Viele Wege führen nach Rom – oder zu der Bedeutung des Namens Eiger.

Der erste Siedler unterhalb des Eigers soll einen althochdeutschen Namen getragen haben: Egiger oder Agiger. Der Berg über seinen Weiden wurde deshalb «Aigers Geissberg» genannt. Das kann natürlich so gewesen sein. Oder verrät uns doch das liebe Latein die richtige Bedeutung? Aus dem lateinischen Wort «acer» entwickelte sich im Französischen die Bezeichnung «aigu». Beide Worte bedeuten «scharf» oder «spitz». Hier wird natürlich auf die Form des Eigers Bezug genommen. Auch die dritte Erklärung beurteilt den Eiger nach seinem Äusseren: Die früher gebräuchliche Schreibweise «Heiger» könnte sich aus dem Dialektausdruck «dr hej Ger» entwickelt haben («hej» bedeutet «hoch» und «Ger» war ein germanischer Wurfspiess). Tja, eins, zwei oder drei? Wir wissen es nicht.

Eine beliebte Geschichte erzählt, dass unser «Oger Eiger» seine lüsternen Pranken unentwegt auf die Jungfrau legen will. Daran wir er aber wiederum vom Mönch ständig gehindert. Armer Oger... oder doch arme Jungfrau?

Karl Molitor

Sie können ruhig aufrecht gehen, hier oben stossen Sie sich nirgends den Kopf!

KARL MOLITOR zu einem Bergunkundigen, der bibbernd auf allen Vieren am Eiger über den schlanken Kamm kroch.

Über die Namengebung eines wohl kaum anderen Gipfels herrscht eine solche Verwirrung und Unsicherheit.

Eingeklemmt zwischen dem Eiger (3970 m ü. M.) mit seiner spektakulären Nordwand und der Jungfrau (4158 m ü. M.) mit ihrem hübschen Aussehen fristet der Mönch lange Zeit ein Mauerblümchendasein.
Das fängt bereits bei seinem Namen an. Diesen hatte er ja lange Zeit erst gar nicht. So hiess er weit bis ins 19. Jahrhundert Eigers Schneeberg, Hinterer Eiger, Kleiner Eiger oder Inner Eiger. Später wurde er zum Weissmönch, Grossen Münch oder Gross-Mönch.

Es ist wohl am Naheliegendsten, dass sich der Name von den Mönchen im Kloster in Nähe abgeleitet hat. Aber nein, leider nicht. Am Fusse des Mönchs befanden sich vielmehr Alpweiden, auf welchen früher Wallache, sogenannte «Münche», gesömmert wurden. So wurde der über den Münchenalpen gelegene Berg «Münchenberg» genannt und schliesslich Münch und Mönch.

Doch nicht nur viele Namen hat er getragen, er musste sich auch diverse Male vermessen lassen. Und der Überraschung halber immer mit einem anderen Resultat: Die Angaben schwankten von minimal 3976 bis maximal 4114 Meter über Meer. Heute zählt er unbestritten zu den 48 Viertausendern der Schweiz.

Die Abendsonne beleuchtet den verschneiten Mönch. Die Sphinx des Jungfraujoch ist zu sehen.



4107

Meter über Meer ist die offizielle Höhe des Mönchs. Die Höhenbestimmung bereitete Schwierigkeiten, da der Mönch eine Kuppe aus Firn besitzt, welche in den letzten Jahren gewachsen ist.

Auch beim dritten Gipfel im Dreigestirn können nur Vermutungen über die Ableitung des Namens angestellt werden. Mit wenigen, sehr seltenen Ausnahmen hat dieser Gipfel seinen jetzigen Namen seit Jahrhunderten getragen.

Im 14. Jahrhundert gab es viele Prämonstratenser Doppelklöster wie hier in Interlaken - ein Orden, der nach der Augustinerregel gegründet worden war.

Umhang, Hut und Barett der Tracht der Mönche und Chorjungfrauen waren reines Weiss. Da nehmen wir doch gerne an, dass die Mönche in Interlaken auf den Gedanken gekommen sind, den weiss schimmernden Gipfel mit einer Prämonstratenser Chorjungfrau zu vergleichen.

Die vermeintliche Unnahbarkeit des Berggipfels trug sicher noch wesentlich dazu bei.

Der Name Jungfrau trat zum ersten Mal mit Sicherheit im Jahr 1577 in Thomas Schöpfs «Chorographia ditionis Bernensis» auf. In diesem Werk machte der Autor die bestimmte Feststellung, dass die Jungfrau ein von ewigem Schnee und Eis starrender Berg, daher völlig unzugänglich sei und die Einwohner deshalb den Namen gleichsam von einer unberührten Jungfrau herleiten.

Der Name wäre dann wohl von einer Jungfrauenalp auf den darüberliegenden Gipfel übertragen worden.

Die Jungfraubahn macht's möglich.

Dank der Jungfraubahn können wir glatt durch Eiger und Mönch bis hin aufs Jungfraujoch-Top of Europe fahren - und das ganz bequem im Sitzen. Die Jungfrau bleibt ihrem Namen nach unerreichbar. Zumindest mit dem Zug.

Jungfraujoch
© Jungfrau Region Tourismus AG. CC0 (OpenData)
John Ruskin

Die Schweizer Alpengipfel sitzen wie Kinder auf einer grossen Tischplatte. Es ergeben sich besonders dann majestätische Eindrücke, wenn einer der grossen Gipfel an den Rand der Tischplatte herantritt, um hinunterzublicken und sich so in seiner ganzen Höhe über dem Tal plötzlich zu zeigen. Letzteres ist der Fall beim Wetterhorn und Eiger in Grindelwald.

JOHN RUSKIN britischer Schriftsteller, Maler und Kunsthistoriker

Am Ende des Tages spielt es keine Rolle, ob die drei Gipfel ihre Namen nun Mönchen, Wallachen, Chorjungfrauen oder altgermanischen Bezeichnungen zu verdanken haben - in einem Punkt sind wir uns alle einig: Das Dreigestirn sieht einfach cool aus.

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Jungfraujoch- Top of Europe
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Schilthorn-Piz Gloria
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Fotos: Jungfrau Region, Jungfraubahnen
Story: André Wellig
Herbst 2017

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Kammistrasse 13
CH-3800 Interlaken

Tel. +41 33 521 43 43
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